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Man schrieb sie überall, wo und wann man nur konnte, in Wohnbunkern und in den Pausen zwischen den Schlachten. Man schrieb sie auf Tapeten, in Schulheften und Geschäftsbüchern…

Handgeschriebene Partisanenzeitschriften wurden gemeinsam mit wichtigen Akten aufbewahrt. Sie enthielten Tatsachen über den Kriegsalltag, berichteten über Kämpfe und Helden. Selbstgemachte „Hefte" wurden lebendig gemacht – durch Illustrationen und witzige Geschichten. Wer eine Zeitschrift in die Hände bekam, las sie in der Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende ist. Diese Hefte gaben Mut. Auch in den Zeiten, wenn man vom Feind hoffnungslos eingekesselt war, konnte niemand daran denken, die handgeschriebenen Zeitschriften preiszugeben – man vergrub sie samt Munition in der Erde oder versteckte in Sackleinen in den Wäldern. Durch das Feuer des Krieges sind diese einmaligen Dokumentationen bis in die Gegenwart erhalten geblieben.
„WOLODJKAS EINHEIT"
VON KOMMANDEUR DERJABIN

Wieder gefangen, gefoltert, geschlagen und gefordert, seine Kameraden preiszugeben… Auch diesmal war es der reine Zufall, der Wladimir Derjabin vom Tod rettete: aus dem Wald wurde geschossen. Die Polizisten stürmten mit ihren Wagen aus dem Dorf…
„Sechsmal wurde Wolodja verhaftet. Aber nichts konnte ihn in seiner Entschlossenheit aufhalten, gegen den Feind zu kämpfen. Denn sobald er wieder auf freiem Fuß war, setzte er seine Aktivitäten fort… Er war ein tapferer, furchtloser und kampferprobter Mensch" – so werden über ihn seine Kameraden in der literarisch-künstlerischen Zeitschrift Nr.1 „Iskra" der Partisanenbrigade „Rasgrom" (Minsker Gebiet) im Oktober 1943 schreiben.
An die Spitze des Verbandes, der als Wolodjkas Einheit in die Geschichte des Partisanenkrieges eingehen wird, wird im Frühjahr 1942 Wladimir Derjabin berufen. Die Abteilung „Iskra" wird Tausende deutsche Soldaten und Offiziere töten und verwunden, Dutzende Militärzüge zum Entgleisen bringen und Brücken sprengen…Das alles wird später sein – in den ersten Kriegstagen leistete Wolodja Derjabin seinen Wehrdienst als Truppenwaffenmeister bei Vilnius ab. Die Rote Armee zog sich nach Osten zurück. Im Kreis Beresina trat der bereits verwundete Derjabin der Untergrundbewegung bei und bildete seine eigene Partisanenabteilung...
Zur Information: Wladimir Derjabin, geboren 1918 im Gouvernement Samara (Russland). Bis 1937 Zögling im Waisenhaus für Kinder. 1937–1941Schlösser im Dampflok-Reparaturwerk Taschkent. 1939 Soldat der Roten Arbeiter-und-Bauern-Armee. Vor dem Krieg leistete er seinen Wehrdienst als Waffenmeister in der Infanterie-Schule Wiljno ab.

Aus der militärischen Charakteristik des Kommandeurs der Partisanenabteilung „Iskra" der Brigade „Rasgrom" Wladimir Derjabin
Foto aus dem Museumsarchiv
Im Minsker Gebiet suchte Derjabin nach Gleichgesinnten, sammelte und versteckte Waffen im Wald, verbreitete Meldungen des Sowjetischen Informationsbüros unter der einheimischen Bevölkerung. Als die Polizisten immer öfter in die Dörfer kamen und die Lebensgefahr groß wurde, ging Wladimir zu den Partisanen.
„Das war die erste organisierte Partisanenabteilung von Kuskow. Derjabin erhielt den Auftrag, die Abteilung mit Nahrung zu versorgen. Wolodja lechzte nach Kampfhandlungen. Seine Kameraden blieben in den Dörfern und warteten darauf, bis er eine eigene Partisanenabteilung bildet. Wolodja blieb in Kuskows Abteilung nicht lange. Bald darauf stellte er eine eigene Gruppe auf."

Auszug aus der literarisch-künstlerischen Zeitschrift „Iskra", Brigade „Rasgrom", Oktober 1943, Nr. 1

Im Winter 1941–1942 führte Derjabin eine große organisatorische Arbeit durch, um mit Anbruch des Frühlings bewaffnete Einheiten zu stellen, die gegen deutsch-faschistische Eroberer kämpfen konnten. Er bildete Gruppen und entsandte sie in jene Regionen, wo früher gekämpft wurde. Seine Kameraden sammelten Waffen, Munition und Ausrüstung. Die Beute musste gesäubert oder repariert werden. Diese Arbeit wurde unter Leitung von Wladimir Derjabin verrichtet.
Am 3. Mai 1942 wurden alle Organisationsarbeiten zur Aufstellung der Partisanenabteilung abgeschlossen. Die Abteilung erhielt den Namen „Iskra". Derjabin wurde zum ersten Kommandeur gewählt. Im Oktober 1942 trat „Iskra" der Brigade „Rasgrom" bei.
„Die Menschen kennen und lieben Wolodjkas Einheit. Gemeine Hitlersoldaten kennen sie auch und hassen sie. Für Aufklärer aus Wolodjkas Einheit hat die Gestapo ein Kopfgeld in Höhe von 10.000 Reichsmark ausgesetzt. Derjabins Abteilung helfen sowohl andere Partisanen als auch die einheimische Bevölkerung. Das ist das Verdienst des Kommandeurs."

Auszug aus der literarisch-künstlerischen Zeitschrift „Iskra", Brigade „Rasgrom", Oktober 1943, Nr. 1
Foto aus dem Museumsarchiv
„Die Abteilung „Iskra" war unter allen anderen Partisanenabteilungen des Landes national am buntesten besetzt. Hier kämpften Ukrainer, Usbeken, Kasachen, Kirgisen, Bulgaren, Armenier Schulter an Schulter… Insgesamt bildeten Vertreter von fast 28 Nationalitäten eine mächtige Kraft im Kampf gegen den Feind.
Seit den ersten Tagen der Kampftätigkeit entstanden in der Partisanenabteilung mehrere Gruppen, deren Ziel es war, durch Sabotageakte feindliche Infrastruktur zu vernichten. Usbeke Gantaj Taschnijasow gehörte einer der Gruppen an. „Er war praktisch, tapfer und entschlossen und konnte unter allen Umständen mit jeder Aufgabe fertig werden. Er brachte einen Militärzug zum Entgleisen, sprengte eine Wagenkolonne und verbrannte ein Lager mit Gas-Generatoren", so schreiben über ihn seine Kameraden in der Partisanenzeitschrift.
Gantaj Taschnijasow bildete eine Reihe mutiger Sabotage-Männer aus. Seine eigene Gruppe brachte 7 Militärzüge zum Entgleisen, vernichtete 8 Dampflokomotiven und 76 Waggons, tötete 456 und verwundete 593 deutsche Soldaten und Offiziere. Für seine Verdienste im Kampf wurde er vom Abteilungskommando zu einer Regierungsauszeichnung vorgeschlagen.
Foto aus dem Museumsarchiv
„Wir haben in unserer Abteilung eine eigene Waffen-Reparatur eingerichtet… Maschinenpistolen wurden aus dem Lauf des russischen Gewehrs hergestellt. Das Schloss wurde aus einem Rundstab geschmiedet, und die Schlagfeder machte man aus Stahldraht, den man aus Automobilreifen gewann… Eines Tages hatten wir eine bestechende Idee – wir wollten eine eigene Artillerie. Gesagt – getan. Als Geschützt dienten uns Kanonen, die wir von beschädigten Panzern abmontierten."

Aus den Erinnerungen von Derjabin
Foto aus dem Museumsarchiv
Die Kanone schraubten wir vom abgeschossenen sowjetischen Leichtpanzer ab. Das Schloss war nicht vorhanden. Das suchten wir gemeinsam mit den Einheimischen. Ein Dorfschmied half uns bei der Reparatur. Im Sommer montierten wir das Geschütz auf eine Sämaschine, im Winter – auf ein Sonderschlitten.
Aus den Erinnerungen von Derjabin:

„Am 1. Juli 1944 trafen wir uns in der Nähe des Dorfes Sabaschewitschi im Kreis Borissow mit Panzereinheiten der 3. Belarussischen Front und erhielten den Befehl, nach Minsk zu kommen. Unsere Abteilung nahm am 16. Juli 1944 an der Siegesparade der Partisanen teil."
Zur Information: Die Abteilung „Iskra", die 1942 aus 20 Kämpfern aufgestellt wurde, zählte im Jahr 1944 über 300 Mann. Für ihren Mut und furchtlose Kampftätigkeit erhielten 11 Prozent des Partisanenverbandes verschiedene Regierungsauszeichnungen.
W. Derjabin mit Ehefrau Nina und Sohn Wolodja, Mai 1946
Wladimir Derjabin wurde im September 1942 der Lenin-Orden verliehen – für Mut und Tapferkeit. Wladimir wurde mit Medaillen „Partisan des Vaterländischen Krieges" der 1. und 2. Kl., der Medaille „Für den Sieg über Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945" ausgezeichnet. Nach der Befreiung des Landes blieb er in Belarus. Er starb im Jahr 2000.
Die Erinnerungen von Wladimir Derjabin wurden kurz vor dem Feiern des 20. Jubiläums der Befreiung von Belarus von den deutsch-faschistischen Eroberern geschrieben. Er übergab seine Memoiren, Dokumente, Gegenstände und Fotos an das Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges.
Literarisch-künstlerische Zeitschrift „Iskra", Brigade „Rasgrom", Oktober 1943, Ausgabe Nr.1
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