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Man schrieb sie überall, wo und wann man nur konnte, in Wohnbunkern und in den Pausen zwischen den Schlachten. Man schrieb sie auf Tapeten, in Schulheften und Geschäftsbüchern…

Handgeschriebene Partisanenzeitschriften wurden gemeinsam mit wichtigen Akten aufbewahrt. Sie enthielten Tatsachen über den Kriegsalltag, berichteten über Kämpfe und Helden. Selbstgemachte „Hefte" wurden lebendig gemacht – durch Illustrationen und witzige Geschichten. Wer eine Zeitschrift in die Hände bekam, las sie in der Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende ist. Diese Hefte gaben Mut. Auch in den Zeiten, wenn man vom Feind hoffnungslos eingekesselt war, konnte niemand daran denken, die handgeschriebenen Zeitschriften preiszugeben – man vergrub sie samt Munition in der Erde oder versteckte in Sackleinen in den Wäldern. Durch das Feuer des Krieges sind diese einmaligen Dokumentationen bis in die Gegenwart erhalten geblieben.
Im Jahr 1941 war die Militäreinheit, wo Jewgeni Filipskich seinen Wehrdienst als Propagandainstrukteur ableistete, in die feindliche Umzingelung geraten. Aus einer kleinen Gruppe Rotarmisten, die die Frontlinie erfolglos zu durchbrechen suchte, ging eine Abteilung hervor. Damals konnte niemand ahnen, dass diese fünf tapferen Bolschewisten und treue Kämpfer der Sowjetheimat den Kern der zukünftigem Partisanenbrigade bilden werden, einer Brigade, die sich in einen starken Kampfverband verwandeln wird...
FILIPSKICH – LEGENDÄRER KOMMANDEUR
UND SEINE KÄMPFER
Im November 1943 erhielt Leiter des Zentralstabs der Partisanenbewegung Generalleutnant Pantelejmon Ponomarenko den Sammelband „2 Jahre Kampf", der dem 2. Jahrestag der Gründung der Partisanenbrigade „Plamja" (Flamme) gewidmet war. Diese Brigade operierte im Kreis Puchowitschi Minsker Oblast.

Diese handgeschriebene Ausgabe stellt einen originellen Bericht über das Leben, die Kampftätigkeit und das Schaffen der „Volksrächer" dar. Die neue Seite der „Partisanenchronik" erzählt über die Kämpfer der Brigade und ihren legendären Kommandeur, Held der Sowjetunion Jewgeni Filipskich.
Trotz Rückschläge, die die Rote Armee in der ersten Zeit erlitten hatte, waren die Kämpfer nicht ratlos: bereits in ihrem ersten Protokoll (Protokoll Nr.1) dokumentierten sie die tatsächliche Lage an der Front und definierten ihre Ziele und Aufgaben klar und deutlich.
Mitglieder der Gruppe waren bereit, nach dem für alle geltenden härtesten Kriegszeitgesetz zu leben und zu kämpfen: „Sollte einer von uns dieses Gesetz brechen, muss er als Verräter vernichtet werden… (Punkt 3, Protokoll Nr. 1)."
Foto aus dem Museumsarchiv
„...Und just in dieser Zeit, im heranrückenden Herbst 1941, in den letzten Septembertagen, hat ein Häuflein tapferer Heimatpatrioten in einem der Kreise des von den deutschen Truppen vorübergehend besetzten sowjetischen Belorusslands, mitten in entlegensten Wäldern von Puchowitschi durch einen offiziellen Eintrag, einen offiziellen Eid die künftige Partisanenbrigade „Plamja" ins Leben gerufen. Das war ein Funke, der zur Flamme wurde. Fünf stalinsche furchtlose Bolschewisten, fünf der Sowjetheimat mit Leib und Seele ergebene Kämpfer Gen. J. Filipskich, S. Malzew, W. Krassilnikow, M. Melechow (gefallen), F. Filatenko und N. Kolnogorow waren sich einig geworden,– ohne Rücksicht auf Heimtücke des Feindes, Hunger oder Kälte, Gefahren des feindlichen Hinterlandes und das schwere Leben in den taigadichten Waldvierteln, dass „sie vom Sieg unseres Volkes über dem Feind überzeugt sind." Tapfere Patrioten, die von der Roten Armee losgerissen und durch eine ferne Front von der Sowjetheimat isoliert waren, ließen sich jedoch nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil, um den Glauben an den Sieg aufrechtzuerhalten, haben sie beschlossen:Sollte einer von uns dieses Gesetz brechen, muss er als Verräter vernichtet werden".
Die nächste Passage im Protokoll wurde später zum Eid des belarussischen Partisanen:
Ich, Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, treuer Sohn des heldenhaften belarussischen Volkes, schwöre auf mein Leben, dass ich keine Mühe scheuen werde, um mein Volk von den deutsch-faschistischen Henkern und Besatzern zu befreien, und dass ich das Gewehr solange nicht ablegen werde, bis der belarussische Boden vom deutsch-faschistischen Scheusal gesäubert ist.

Ich schwöre, alle Befehle meiner Kommandeure und Vorgesetzten strickt auszuführen, die Militärdisziplin streng einzuhalten und das Staatsgeheimnis zu wahren.

Für verbrannte Städte und Dörfer, für das Blut und den Tod unserer Frauen, Kinder, Väter und Mütter, für Folter und Demütigung unseres Volkes schwöre ich, mich an den deutschen Besatzern unerbittlich, gnadenlos, immer und überall, entschlossen und unermüdlich zu rächen.

Ich schwöre, der Roten Armee auf allen Wegen und mit allen Mitteln zu helfen, deutsche Henker zu vernichten und so zur baldigen und endgültigen Zerschlagung des blutigen Faschismus beizutragen.

Ich schwöre, dass ich im erbitterten Kampf gegen den Feind eher untergehen werde als mich, meine Familie und das belarussische Volk vom blutigen Faschismus versklaven lasse.

Ich besiegele diesen heiligen Eid, den ich vor meinen Genossen Partisanen abgelegt habe, durch meine Unterschrift und werde von diesem Eid niemals abgehen.

Wenn ich aus Schwäche/Feigheit oder in böser Absicht meinen Eid breche und Interessen des Volkes verrate, so möge ich eines schmachvollen Todes durch Kameradenhand sterben" .

Die Zeit ging: „…Allmählich hat sich um den Gen. Filipskich eine Kämpfer-Gruppe gebildet. Einer nach dem anderen brachten die Patrioten Waffen, Munition, und – ohne jede Verbindung zur Roten Armee, aber erfüllt vom Pflichtbewusstsein gegenüber der Heimat – machten sich an das Werk. Die Reihen der Volksrächer mehrten sich, es begann eine reges Kampfleben…"
Partisanen: Vater und Sohn. 1944. Foto BELTA
Partisanen legen den Eid ab. 1943. Foto BELTA
Das Volk unterstützte die belarussischen Partisanen und bot ihnen Halt im Krieg:
„…Das Volk, das unter dem Joch der Besatzer stöhnte, war froh und half den heldenhaften Partisanen noch energischer. Es tat alles, was es nur konnte: das Volk brachte Waffen, Munition, Essen und Kleidung; das Volk betrieb Agenturaufklärung und stellte Wegführer; das Volk schickte seine besten Menschen zu den Partisanen. So begann eine richtige politische Zusammenarbeit zwischen den Partisanen und der Bevölkerung".
Mutter und Sohn. 1943. Foto BELTA
Die Freude war umso größer als eines Tages aus Moskau das Staatstelegramm eintraf, in dem mitgeteilt wurde, dass der Kommandeur der Abteilung „Plamja" Filipskich, Kommissar Schkljarik und einige Partisanen für erfolgreiche Operationen mit hohen Kampfauszeichnungen gewürdigt wurden. Die Partisanen haben verstanden, dass man in der Hauptstadt über sie weiß und sie schätzt:
„…Jetzt wurde allen klar, den Partisanen wie der Bevölkerung, dass das Mütterchen Moskau über seine Partisanen und ihre Kampfhandlungen weiß und sie schätzt. Mit einer Regierungsauszeichnung hat die Abteilung der Partisanenbrigade „Sa Rodinu" (Für die Heimat) ihre militärische Initiative und ihre aktiven Kampfhandlungen so energisch entfaltet, dass ihre monatlichen Zahlen viel höher lagen als die der anderen Abteilungen der Brigade…"
Aus einer kleinen Diversionsgruppe ging eine selbstständige Partisanenbrigade hervor:
„Am 26. Juni 1943 ist nach Generalanweisungen des Gen. Stalin und des Zentralstabs der Partisanenbewegung, durch einen Beschluss des Zwischenbezirks-Untergrundkomitees der Kommunistischen Partei Belorusslands der Minsker Zone aus der Partisanenabteilung „Plamja", einem gut eingespielten Kollektiv der Partei- und Komsomol-Organisation mit den besten Kampfleistungen, eine selbstständig operierende Partisanenbrigade „Plamja" hervorgegangen, die aus folgenden Abteilungen bestand: „Plamja", „Slawa", „Pobeda" und Tschapajew-Abteilung… Aus der winzig-kleinen Diversionsgruppe „Plamja" ist die Partisanenbrigade „Plamja" herangewachsen, eine Brigade, die sich um die Heimat verdient gemacht hat…"
Fahne
Die Abteilungen machten sich an das Werk: sie bereiteten sich auf den zweiten Jahrestag der Brigadegründung vor, indem sie feindliche Züge um die Wette zum Entgleisen brachten. 15 Tage vor dem Fest – dem „Tag der Brigade" – übernahm jede Abteilung die Verpflichtung, jeweils drei Züge zum Entgleisen zu bringen. Die Ergebnisse waren beeindruckend:
1. Kampfblätter herausgegeben 15,
2. Zeitschriften herausgegeben 1,
3. Berichte in den Abteilungen 6,
4. Gespräche in den Abteilungen 20,
5. Privatgespräche 48,
6. Meldungen des Sowjetischen Informationsbüros täglich,
8. Versammlungen im Dorf 52,
9. Meldungen ins Dorf und Garnison entsandt 5400,
10. Anreden an die Bevölkerung 210,
11. Anreden an Volksfreunde und Polizei 840,
12. Kreiszeitung „Belarussischer Partisan" verteilt, Stück 1520,
13. Flugblätter in Fremdsprachen verteilt, Stück 31,
14. Hauptzeitungen verteilt 210.
Die Brigade führte eine aktive Agitationsarbeit durch und informierte Partisanen und die Einheimischen über die Lage an der Front und im Hinterland. Das sieht man sehr gut am Beispiel des September-Berichts von 1943:
Ergebnisse, die die Volksrächer in den Kampfhandlungen an den Tag legten, sprechen für sich:
Die Namen der Gefallenen werden in der Erinnerung fortleben:
"Es werden Jahre vergehen, der Krieg wird vorbei sein, der Feind wird vernichtet. Und über den gefallenen Kameraden, über ihrem ewigen Grabhügel werden Menschen, Winde und Vögel das Partisanenlied singen."
Die Partisanen der Brigade von Jewgeni Filipskich operierten nach allen Regeln der Kriegskunst, mit allen Aufklärungsmitteln und führten über 140 Sabotageaktionen auf der Eisenbahnstrecke Minsk–Ossipowitschi durch. Während der „Operation Eisenbahnkrieg" hat die Brigade im August 1943 über 1,5 Tsd. Eisenbahnlinien gesprengt. Vernichtet wurden Dutzende Brücken auf den Autostraßen Minsk–Mogiljow und Minsk–Bobruisk. Am 2. Juli 1944 befreite die Brigade „Plamja" gemeinsam mit der 65. Armee der 1. Belorussischen Front die Stadt Marjina Gorka. Im August 1944 wurde Jewgeni Filipskich zum „Helden der Sowjetunion" ernannt.
Lieder und Poesie waren in den Kriegszeiten von unermesslicher Bedeutung. Selbst jene, die im ordinären Leben sonst nie auf die Idee gekommen wären, etwas zu dichten, griffen zur Feder. Um genau zu beschreiben, was einfache Menschen im Partisanenkrieg dachten und fühlten, fanden sich immer passende Worte.
Partisan Lawrow hat in seinem Poem „Plamja" den Brigadekommandeur Filipskich einfach, doch sehr treffend charakterisiert.
Aus dem reinsten Herzen heraus sind Charaktere anderer Kommandeure und Kämpfer dargestellt:
Nach dem Krieg absolvierte Jewgeni Filipskich die Hohe Schule bei der ZK KP(b)B und arbeitete im Minsker Parteikomitee als Leiter der Verkehrsabteilung. Er starb im Sommer 1953, kurz vor seinem 39. Geburtstag, und wurde auf dem Soldatenfriedhof in Minsk beigesetzt… Wir zeigen in dieser Ausgabe persönliche Gegenstände und Waffen des Helden. Sie stammen aus dem Familienarchiv von Filipskich und wurden im Oktober 1953 dem Museum übergeben:
Persönliche Gegenstände von J. Filipskich
Diese unikale Zeitschriftausgabe besitzt einen hohen künstlerischen Wert: fast jede Seite spiegelt die Geschichte des Partisanenkrieges der Brigade „Plamja" bildhaft wider. Alle Zeichnungen sind wahrheitsgetreu, denn Zeichner waren Partisanen selbst – sie waren immer mit ihren Figuren und Helden zusammen, führten Aufgaben aus, legten Minen an, sprengten Brücken, vernichteten feindliche Garnisonen. Der Kampf und das Leben im feindlichen Hinterland sagten ihnen Themen und Motive vor. Die Bilder und Zeichnungen in der vorliegenden Zeitschrift „Plamja" stammen vom bekannten belarussischen Maler Wladimir Suchowerchow und der Malerin Sofja Li. Ob inAquarell, Guasch oder mit Bleistift – die beiden Künstler haben über 100 Illustrationen angefertigt. Besonders die von Suchowerchow stammenden Porträts der belarussischen Partisanen lassen niemanden kalt.
Erdhütte des Brigadekommandeurs Filipskich
Handgeschriebene Partisanenzeitschrift „Partisanenbrigade „Plamja". 2 Jahre Kampf", 1943
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© Belarussische Telegraphenagentur, 2018
© Belarussisches Staatliches Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, 2018
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