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Man schrieb sie überall, wo und wann man nur konnte, in Wohnbunkern und in den Pausen zwischen den Schlachten. Man schrieb sie auf Tapeten, in Schulheften und Geschäftsbüchern…

Handgeschriebene Partisanenzeitschriften wurden gemeinsam mit wichtigen Akten aufbewahrt. Sie enthielten Tatsachen über den Kriegsalltag, berichteten über Kämpfe und Helden. Selbstgemachte „Hefte" wurden lebendig gemacht – durch Illustrationen und witzige Geschichten. Wer eine Zeitschrift in die Hände bekam, las sie in der Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende ist. Diese Hefte gaben Mut. Auch in den Zeiten, wenn man vom Feind hoffnungslos eingekesselt war, konnte niemand daran denken, die handgeschriebenen Zeitschriften preiszugeben – man vergrub sie samt Munition in der Erde oder versteckte in Sackleinen in den Wäldern. Durch das Feuer des Krieges sind diese einmaligen Dokumentationen bis in die Gegenwart erhalten geblieben.
ABTEILUNG «KOMSOMOL»
In der Nacht zum 8. April 1944 waren die Partisanen der Abteilung "Komsomol" der 1. Minsker Brigade dabei, sich zum Angriff bereitzustellen. Eine auchtundzwanzigköpfige Sturmgruppe erzwang um 3.30 Uhr den Übergang über den Fluss Swislotsch. Die Kämpfer drangen in die Siedlung ein und stellten sich zum Angriff auf den Feind bereit.

Diese Kampfoperation bereiteten die Partisanen über mehrere Tage detailliert vor. Die Aufklärung meldete: Die deutschen Truppen ziehen seit zwei Wochen in das Dorf Pudezkaja Sloboda (Minsker Gebiet) ein, wo sie die Zivilisten berauben und totschlagen. Die fast 70 Wehrmachtsoldaten besitzen zwei Maschinenkanonen, eine große Menge Maschinengewehre und Waffen…

Das Kommando der 1. Minsker Partisanenbrigade wird nachher in einem Befehlsschreiben auf den Heldenmut von Partisanen hinweisen, den sie im zähen Kampf im Dorf Pudezkaja Sloboda an den Tag legten. Damals vernichteten die Kämpfer der Abteilung "Komsomol" die feindliche Garnison und erbeuteten reiche Trophäen – legendäre Oerlikon-Kanonen.
Das Kommando der Partisanenabteilung "Komsomol" der 1. Minsker Brigade überprüft den Plan der anstehenden Kampfoperation
Am Tag der Operation warteten die Kämpfer der Abteilung "Komsomol" bis zu frühen Morgenstunden ergebnislos auf den Feind. Die Deutschen änderten unerwartet die Route und nahmen einen anderen Weg zum Dorffriedhof. Später stellte es sich heraus, dass ein Verräter die Deutschen gewarnt haben soll, dass Partisanen einen Hinterhalt gelegt haben. Der Überraschungsmoment schien verloren, doch die Kämpfer warteten weiter.

"Der Feind stellte eine Kanone neben der Scheune unweit des Friedhofes auf und feuerte auf den Wald los. Die Partisanen feuerten nicht zurück. Eine kurze Zeit später tauchte eine zweite Kanone auf, die in jene Richtung gebracht wurde, wo Partisanen Stellung nahmen. Eine Minute später ertönte das Kommando „Zum Gefecht!"
Auszug aus der handgeschriebenen Zeitschrift „Komsomolskaja iskra", Nr. 8., Partisanenabteilung „Komsomol" der 1. Minsker Partisanenbrigade, April 1944
Die Sturmgruppe schaffte es, eine Kanone zu erkämpfen. Einige Kämpfer rollten sie unter Beschuss zum Flussufer, die anderen setzten das Gefecht fort. Der harte Kampf dauerte fast 4 Stunden. Abgeschnitten durch den Fluß vom Waldmassiv konnten die Partisanen Faschisten bis zum Ort Ljubin vertreiben, wo sich die feindliche Garnison befand.
"Gefecht um Kanonen", eine Zeichnung des Partisanenkünstlers A. Wolkow
In diesem Gefecht haben die Partisanen 9 Hitlersoldaten getötet und 12 weitere verwundet. Sie selbst haben einen der besten Kämpfer, Michail Chonski, verloren. "In allen Kampfoperationen war Mischa immer vorne", werden seine Kampfkameraden nachher in der Zeitschrift niederschreiben. "Auch der letzte Kampf war keine Ausnahme. Während der Operation vernichtete er die Faschisten an vorderster Front und starb den Heldentod."
Zur Information: Michail Chonski war 1923 im Dorf Pudezkaja Sloboda geboren. Belarusse, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes der Sowjetunion. Seit 17. Juli 1943 in der Abteilung. Nahm an 17 Kampfoperationen teil. Für seinen Verdienst wurde er zur Regierungsauszeichnung vorgeschlagen. Gefallen am 8. April 1944.
Aus der handgeschriebenen Zeitschrift „Komsomolskaja iskra", Nr. 8:

"Im harten Kampf wurde ein deutscher Unteroffizier gefangen genommen. Außerdem wurden folgende Trophäen erbeutet: zwei intakte halbautomatische Kanonen und mehrere Artilleriegranaten, 6 Gewehre, ein Maschinengewehr und sonstiges Wehrmaterial."

Die wertvollste Beute waren zwei 20-mm-Oerlikon-Kanonen. Sie wurden für die Nah-Fliegerabwehr sehr effektiv eingesetzt.
Dieses Geschütz, das vom Deutschen Reinhold Becker entworfen und dessen Patent das Schweizer Unternehmen Semag 1919 bekam, wurde vom Schweizer Unternehmen Oerlikon 1927 weitgehend verbessert. Die neue Modifikation wurde vom österreichischen Ingenieur, ehem. Kriegsflieger, Erfinder und Rationalisator Antoine Gazda präsentiert.

Die von Becker entworfene Kanone war eine einfache und sehr leistungsfähige Konstruktion. Oerlikon besaß einen Mechanismus, der praktisch schmutzfest war. Das Geschütz konnte man nicht außer Gefecht legen. Selbst bei einem massiven Dauerschießen war die Kanone nicht kaputt zu machen. Der Kanonenlauf war feldmäßig leicht ersetzbar. Die Patronenzufuhr erfolgte durch das von oben eingesetzte Stangenmagazin mit einer Kapazität von 15 Patronen.
Die Partisanen der Abteilung "Komsomol" setzten die Flugzeugabwehrkanonen bei ihren Kampfoperationen erfolgreich ein. Im Jahr 1960 wurde eine der Kanonen an das Leningrader Artillerie-Museum (heute: Militärgeschichtliches Museum der Artillerie, des Ingenieurwesens und der Nachrichtentechnik in Sankt Petersburg) übergeben. Die zweite Kanone wird im Belarussischen Staatlichen Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges ausgestellt.
Am Grab des gefallenen Michail Chonski haben die Partisanen geschworen, sich für das Blut des belarussischen Volkes, für den Tod ihres Kameraden und des besten Kämpfers zu rächen. Der mutige Partisan wurde am 9. April gemeinsam mit seinem 76-jährigen Vater begraben, der am Vorabend an im Kampf erlittenen Wunden gestorben war.
Befehl über die 1. Minsker Partisanenbrigade vom 9. April 1944:

„Am 8. April 1944 hat die Abteilung „Komsomol" eine schwere Kampfoperation geführt. In diesem Gefecht haben Abteilungskommandeur Gen. Worobjow, Kommissar Gen. Morosow, Stabsleiter Gen. Ignatowitsch einen außergewöhnlichen Mut und Tapferkeit bewiesen.

Hierzu ist Abteilungsleiter Gen. Worobjow mit einer Walther-Pistole, Kommissar Gen. Morosow mit einer deutschen Pistole und Stabsleiter Gen. Ignatowitsch mit einer deutschen Walther-Pistole auszuzeichnen.

Das Abteilungskommando hat Kämpfer, Kommandeure und Politleiter, die sich im Kampf besonders zeigten, für staatliche Auszeichnungen vorzuschlagen".

Unterzeichnet vom Kommandeur der 1. Minsker Partisanenbrigade J. Iwanow



Handgeschriebene Partisanenzeitschrift "Komsomolskaja iskra", Nr. 8, April 1944
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